Demenzbeauftragte im Krankenhaus – ein neues Berufsfeld für Pflegefachkräfte

Examinierten Pflegefachkräften steht ein breites Spektrum möglicher Tätigkeitsfelder offen. Sie können sich je nach ihren Interessensgebieten weiterbilden und spezialisieren. Wer sich für das Thema Gerontopsychiatrie und Demenz interessiert, kann u.a. als Demenzbeauftragter in einem Klinikum tätig werden.

In dem Interview mit unserem Experten für Gerontopsychiatrie, Dr. Jörg Hinner, stellen wir die Tätigkeit von Demenzbeauftragten in Krankenhäusern und Kliniken vor. Wir erläutern die Aufgabengebiete sowie die erforderlichen Qualifikationen von Demenzbeauftragten mit dem Einsatzgebiet Kliniken und Krankenhäuser.


Petra Weber: Der Umgang mit Demenz ist und bleibt für unsere Gesellschaft weiterhin ein großes Thema. Wie viele Menschen leiden aktuell in Deutschland an Demenz?

Dr. Jörg Hinner: In Deutschland leben momentan etwa 1,6 Mio. Menschen mit einer Demenz. Ca. zwei Drittel davon leiden an Alzheimer. Im Durchschnitt erkranken momentan täglich ca. 900 Menschen an Demenz. Das macht dann ungefähr 300.000 Neuerkrankungen pro Jahr.

Petra Weber: Auch Kliniken und Krankenhäuser müssen immer wieder demenziell erkrankte Menschen betreuen. Manche Kliniken haben inzwischen einen Demenzbeauftragten. Weshalb ist es für Krankenhäuser sinnvoll, Demenzbeauftragte einzusetzen?

Dr. Jörg Hinner: Krankenhäuser sind prinzipiell nicht auf die Herausforderungen eingestellt, die mit dem Krankheitsbild Demenz einhergehen. Sie werden oft missverstanden und nicht richtig betreut. Daraus kann bei einem Krankenhausaufenthalt eine regelrechte „Abwärtsspirale“ bei den Patienten mit Demenz erfolgen. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass Krankenhausaufenthalte oft länger dauern als notwendig. Es können Delirien auftreten und es kann zu einer weiteren Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten kommen. Damit schwindet auch die Fähigkeit, sich selbst zu Hause weiter versorgen zu können. Zusätzlich haben Menschen mit Demenz ein höheres Risiko für eine Krankenhausinfektion. Das alles führt zu einer höheren Wahrscheinlichkeit nach der Entlassung wieder eingewiesen zu werden. Mit einem Demenzbeauftragten können Krankenhäuser und Kliniken hier gezielt gegensteuern.

Petra Weber: Wie wird man Demenzbeauftragter?

Dr. Jörg Hinner: Bislang gibt es kein einheitliches Berufsbild. Insofern können sowohl die Bezeichnungen als auch die Anforderungen und der Umfang der Arbeit eines Demenzbeauftragten sehr unterschiedlich sein. Es ist natürlich wichtig, dass der Demenzbeauftragte die erforderlichen Kompetenzen hat, um die richtigen Maßnahmen einzuleiten, zu steuern und zu evaluieren. Deshalb sind Demenzbeauftragte meistens Pflegefachkräfte mit einer Zusatzqualifikation, wie wir sie mit unserer Weiterbildung zur Fachkraft Gerontopsychiatrie anbieten.

Petra Weber: Welche Aufgaben hat ein Demenzbeauftragter in einem Krankenhaus?

Dr. Jörg Hinner: Ein Demenzbeauftragter kümmert sich um die besonderen Belange von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Er berät alle Beteiligten im Krankenhaus und sorgt für eine gute Kommunikation und Koordination der Schnittstellen. Außerdem klärt er die Weiterversorgung nach dem Krankenhausaufenthalt durch Hausärzte und ambulante Pflegedienste in Zusammenarbeit mit dem Case- und Entlassmanagement.

Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Aufgabenbereiche von Demenzbeauftragten unterscheiden: Einerseits gibt es Demenzbeauftragte, die hauptsächlich direkt für die Beschäftigung und Betreuung der Patienten mit Demenz zuständig sind. Sie sind verantwortlich für die Einzel- oder Gruppenbetreuung und kümmern sich auch persönlich um die Patientinnen und Patienten mit Demenz. Sie begleiten diese zum Beispiel zu ihren Untersuchungen, bieten Betreuungs- und Beschäftigungsangebote an oder kümmern sich darum, dass die Räumlichkeiten demenzgerecht eingerichtet sind.

Es gibt auch Demenzbeauftragte, die vor allem für die Organisation und Prozessteuerung zuständig sind. Zu ihren Kernaufgaben zählt die Optimierung der Versorgungsprozesse für die Patienten mit einer demenziellen Erkrankung. Sie sind auch verantwortlich für die Organisation von Schulungen und Veranstaltungen zu Demenz, wie auch die Entwicklung und Anpassung der Formulare für die Assessments und für die Dokumentation. Sie kümmern sich also um die Qualität der Versorgung der Menschen mit Demenz auf der organisatorischen Ebene. Dafür benötigen sie neben den fachspezifischen Kenntnissen zu Demenz auch das Wissen über Qualitätsmanagement, wie wir es in unseren Qualitätsmanagement-Kursen vermitteln. Auch die verwendeten Stellenbezeichnungen sind in den Krankenhäusern und Kliniken unterschiedlich. Manche bezeichnen diese Stelle statt Demenzbeauftragter auch als Demenzcoach, Demenzbegleiter oder – wenn es eher um die organisatorischen Aufgaben geht – auch als Demenzmanager.

Petra Weber: Welches Wissen braucht ein Demenzbeauftragter?

Dr. Jörg Hinner: Demenzbeauftragte brauchen ein grundlegendes Verständnis für die demenzielle Erkrankung und für ihre Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Wichtig sind dafür grundlegende Kenntnisse der gerontopsychiatrischen Krankheitsbilder, gerontopsychiatrischen Rehabilitations- und Therapiemöglichkeiten sowie spezielle Pflegekonzepte für Menschen mit Demenz.

Für den Umgang mit dem manchmal herausforderndem Verhalten von demenziell Erkrankten ist es wichtig, ihre Bedürfnisse zu erkennen und passend darauf einzugehen. Hier helfen spezifische Methoden zur Beziehungsgestaltung, wie personenzentrierte Kommunikation und Validation. Auch das Wissen über rechtliche Fragestellungen sind für die Demenzbeauftragten wichtig, um z.B. die Rechtssituation von Freiheitsentziehenden Maßnahmen zu kennen. Ebenso braucht der Demenzbeauftragte Wissen über die Versorgungsstrukturen. Damit kann er eine gute Weiterversorgung nach dem Klinikaufenthalt sicherstellen. Das Thema Psychohygiene, Umgang mit Belastungen und Selbstfürsorge ist für Pflegefachkräfte, die sich um Menschen mit Demenz kümmern, ebenfalls sehr wichtig.

All das vermitteln wir in unserer Weiterbildung zur gerontopsychiatrischen Fachkraft. Wer als Demenzbeauftragter auch die Prozessorganisation in den Kliniken steuern will, der kombiniert diese Weiterbildung am besten mit unserer Weiterbildung zum Qualitätsmanager. Dies sind dann die optimalen fachlichen Voraussetzungen für die Demenzbeauftragten bzw. die Demenzmanager.

Mai 2022